Wir ergreifen Partei.


Wir sollten laut sein

Von SPe, 7.Juni.2020

STANDPUNKT zum Thema Rassismus von Nadja Stadelmann Limacher

Der Tod des Afroamerikaners George Floyd nach massiver Gewaltanwendung durch weisse Polizisten bringt zehntausende Menschen auf die Strasse um zu protestieren. In manchen Städten eskalieren die Proteste. Selbst die Nationalgarde vermag die Lage nicht überall zu beruhigen. Der amerikanische Präsident Trump droht mit dem Militär.

Die Ereignisse überschlagen sich seither. Es ist, als hätte sich ein riesiger Topf (welcher schon so lange vor sich hin gärt) überkocht. Ich möchte darüber etwas schreiben. Aber was weiss ich schon? Ich bin nicht in der Position zu sagen, wer sich wie verhalten soll. Ich weiss nicht, wie es sich anfühlt diskriminiert zu werden aufgrund meiner Hautfarbe oder meines Geburtsortes. Ich habe es mir nicht ausgesucht, in der Schweiz geboren zu werden. Es war einfach Glück.

Es ist ein starkes Zeichen auf Instagram, der sonst ach so schönen, heilen Welt ein schwarzes Feld zu posten. Doch das reicht nicht. Rassismus passiert nicht nur auf den Sozialen Medien. Sondern auch im Zug, auf dem Pausenplatz, im Fussballstadion, am Stammtisch, im Freundeskreis und am Verwandtentreffen. Auch da dürfen wir nicht schweigen. Denn schweigen heisst einverstanden sein und im Stillen zu nicken. Dabei sollten wir laut sein. Immer und immer wieder.

Rassismus ist nicht nur ein Problem weit weg in den Vereinigten Staaten. Nein, es passiert auch hier in der Schweiz und auch im Entlebuch. Gespürt habe ich das, als ich eine Flüchtlingsfamilie aus Eritrea, seit sieben Jahren hier wohnhaft, auf Wohnungssuche begleitete. Oder als ich die Familienfrau einer afghanischen Familie auf Jobsuche unterstützte. Die Unsicherheiten beidseits waren riesengross, die Vorurteile der einen Seite grösser und für mich nicht nachvollziehbar. Was uns fremd ist, macht uns Angst.

 

«Mir meine nid die, wo mer kenne,
mir meine nid die, wo mer mit ne zäme si,
mir meine nid die, wo nis d’Wohnig putze,
mir meine nid die, wo nis ungerrichte,
mir meine nid die, wo üsi Gou schiesse.
Die si nid gmeint, äuä.

Mir meine immer nume die angere.
Aber di angere hei ou e Name.
Die angere hei ou e Gschicht.»
Pedro Lenz

 

Es sind die Begegnungen, die uns fremde Menschen zu Bekannten machen. Es passiert dann, wenn wir auf sie zugehen und uns für sie und ihre Geschichte interessieren. Bald sind die „Café Internationals“ in den Dörfern wieder geöffnet. Wäre das nicht eine Gelegenheit, aus ‘fremd’ ‘bekannt’ oder gar ‘vertraut’ zu machen?

Wir haben ein politisches System, welches sich Demokratie nennt. Jedoch sind 25% der Menschen in der Schweiz vom Mitspracherecht ausgeschlossen. Sei es aufgrund ihres Alters oder ihres Passes. Da sehe ich unsere Aufgabe, uns für Gerechtigkeit einzusetzen und denen eine Stimme zu geben, die offiziell keine haben. Immer und immer wieder.