Adolescence
Von SPe, 31.März.2025
TV-TIPP
Schaut euch diese Mini-Serie an.
Sie zeigt sehr gut auf, wie toxische Männlichkeit, die online verbreitet wird, nicht nur verletzliche junge Männer mental vollkommen zerstört. Sondern auch alle Personen in ihrem Umfeld, seien es junge Mädchen und Frauen, die dadurch gewaltsam zu Opfern werden, oder ihre Familienmitglieder. Adolescence erzählt also auch von einer Familienstruktur, in der eine Hierarchie vorherrscht, welche in Zeiten der Krisen und der Hilflosigkeit wirksam wird. Dann nämlich, wenn der Vater die Führung übernimmt – und seinen Willen auch mittels Gewalt durchsetzt.
Die 4-teilige Serie handelt von Mobbing, Online-Radikalisierung, Incel-Kultur¹ und toxischer Männlichkeit. Welchem Druck sind junge Männer ausgesetzt? Umso wichtiger, die Debatten um Online-Radikalisierung und Männlichkeitsbilder dringlichst auch in der Schweiz zu führen. Wir haben ein grosses Problem mit Gewalt an Frauen. Im Jahr 2025 schreiben wir grad die Höchstzahl an Femiziden und Vergewaltigungen.
Antifeminismus ist fest verankert in der Gesellschaft und bietet gewaltvolle und problematische Orientierungsrahmen für Jungs und Männer. Es ist notwendiger denn je, mehr in soziale Arbeit zu investieren, welche mit Jungs ins Gespräch kommt und sie von einer Radikalisierung abhält.
Adolescence ist eine faszinierende, verstörende Serie. Sie lässt mich fassungslos und ohnmächtig zurück. Ein bitterer Beigeschmack bleibt jedoch: Die Serie interessiert sich wie viele dieser Art nur für den Täter. Wir sollen ihn verstehen, sollen nachvollziehen können, warum er den Mord begangen hat. Nur: Der Bub lebt – das Mädchen ist tot.
Ich hoffe, dass Adolescence eine breitere Diskussion anstösst und Eltern für die Gefahren sensibilisiert, denen ihre Kinder online ausgesetzt sind. Aber bitte ohne zu vergessen, dass der Nährboden, auf den der Frauenhass fällt, in unserer Gesellschaft mit patriarchalen Strukturen entsteht.
Nadja Stadelmann Limacher
März 2025
¹ „Incel“ – das Wort setzt sich aus den beiden englischen Begriffen „involuntary“ und „celibate“ zusammen und bedeutet soviel wie „unfreiwillig sexuell enthaltsam/zölibatär“. Betroffene Männer geben Frauen die Schuld für ihr Single-Dasein, das von ihnen nicht gewollt ist. Aus Frust wird Hass gegen Frauen. In Internetforen tauschen sie Videos, Gewaltfantasien, Demütigungen und menschenverachtende Kommentare aus.