Eigenmietwert-Steuer abschaffen?
Von SPe, 20.September.2025
NEIN sagt SP-Vizepräsidentin Nadja Stadelmann und nennt gegenüber dem Entlebucher Anzeiger ihre Gründe.
Frau Stadelmann, wieso sind Sie für den Erhalt der Eigenmietwert-Steuer?
Zugegeben, es klingt verlockend eine Steuer weniger zu bezahlen, gerade da ich auch eine Hausbesitzerin bin. Es lohnt sich in solchen Vorlagen jedoch zu schauen, wer profitiert wirklich und wer verliert.
Die Eigenmietsteuer kommt einem fiktiven Einkommen gleich. Die Berechnung der Steuer scheint etwas undurchsichtig, zudem wird sie regional unterschiedlich gehandhabt. Ist es da nicht legitim, über eine Abschaffung der Steuer nachzudenken, um Fairness zu walten?
Ich habe ein anderes Verständnis von Gerechtigkeit. Fair finde ich, wenn die Schere zwischen Hauseigentümer*innen und Mieter*innen nicht noch weiter aufgeht. Wir haben heute ein ausgewogenes und gerechtes System. Fairness bedeutet, dass zwei Haushalte mit gleich viel Einkommen und Vermögen in etwa gleich belastet werden, unabhängig von ihrer Wohnform. Das heutige System gewährleistet dies. Die Abschaffung des Eigenmietwerts würde einzelne Eigentümer*innen einseitig bevorteilen.
Stichwort ‘regional unterschiedlich gehandhabt’: Der Eigenmietwert wird unter Berücksichtigung des örtlichen Mietpreisniveaus berechnet. Für eine 4.5-Zimmer Wohnung zahlt man je nachdem auch sehr unterschiedliche Mietzinse. Zudem gibt es auf einen Eigenmietwert einen Abschlag von bis zu 40% gegenüber der Miete, die man in einer vergleichbaren Mietwohnung zahlen müsste.
Was laut Befürworter*innen der Abschaffung ein ‘fiktives Einkommen’ ist, heisst andernorts ‘Naturalbezug’. Beispielsweise das Geschäftsauto privat zu brauchen, das Gratis-Mittagessen der Pflegefachfrau im Altersheim oder die Firmenwohnung des Hauswarts sind ebenfalls ‘Einkommen’, die besteuert werden müssen, obwohl man nie einen Franken davon in bar gesehen hat.
Eigenheimbesitzer*innen sind tendenziell einkommensstärker als Mieter*innen. Würde mit der Abschaffung die Schere zwischen Arm und Reich noch mehr aufgehen?
Das würde ich so nicht sagen. Wir hatten Glück, dass wir als junges Paar ein Haus kaufen konnten und dadurch im Endeffekt weniger pro Monat bezahlten als die Miete unserer damaligen Wohnung. Heute würden wir es uns nicht mehr leisten können.
Gerade die wohlhabenderen Eigentümerschaften profitieren am stärksten von der Abschaffung des Eigenmietwerts, während die Abschaffung von Steuerabzügen auf Schuldzinsen und Unterhaltskosten in der Tendenz jüngere und weniger wohlhabende Haushalte trifft. Mit der Abschaffung des Eigenmietwertes werden jene profitieren, die ihre Hypothek bereits abbezahlen konnten und Immobilienkonzerne. Also sehr vermögende und privilegierte Personen.
„Ich bin nicht für Vorlagen, die einen Rattenschwanz an neuen Problemen mit sich bringen.“
Nadja Stadelmann
Angenommen die Abschaffung findet eine breite Mehrheit. Müsste man dann auch die Mieter*innen auf einem anderen Weg belohnen?
Leider passiert aktuell das Gegenteil. Mieter*innen kommen immer stärker unter Druck. Die Mieten werden im Rekordtempo erhöht, das Bundesgericht hat in den letzten Jahren mehrmals die maximal zulässige Rendite auf Mieten erhöht. Statt die Mieter*innen vor immer höheren Mieten zu schützen, fordern Stimmen im Parlament sogar einen weiteren Abbau der Mieter*innenrechte.
Ich bin nicht für Vorlagen, die einen Rattenschwanz an neuen Problemen mit sich bringen. Dann lieber zurück an den Absender. Bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist jetzt schon vielerorts eine grosse Herausforderung. Was wir brauchen, sind Lösungen, keine neuen Probleme.
Welche Bedenken haben Sie, sollte die Eigenmietwert-Steuer abgeschafft werden? Was wären die Folgen Ihrer Meinung nach?
Wir hätten einen Steuerausfall von 2 Milliarden. Mieter*innen werden diese Steuerausfälle mitfinanzieren müssen. Der geplante Systemwechsel bei Liegenschaftssteuern würde bis zu 500 Franken mehr Steuern pro Haushalt für den Mittelstand führen. Klar ist, dass dies der Grossteil der Bevölkerung betrifft, denn 2/3 wohnen zur Miete, 1/3 im Eigenheim. Das Streichen der Abzüge für Unterhaltskosten würde ausserdem ein Rückgang der Aufträge fürs Baugewerbe bedeuten.
Die Hypothekarzinsen sind gegenwärtig sehr tief. Sprich, Eigenheimbesitzer*innen profitieren aktuell ohnehin genug. Wie sehen Sie das?
Genau diese Tendenz würden wir mit der Abschaffung des Eigenmietwerts noch befeuern. Die Mieten sind in den letzten zehn bis zwanzig Jahren exorbitant gestiegen, der Hypozins jedoch sank insgesamt. Gleichzeitig hat sich der Wert von Immobilien je nach Lage bis zu verdreifacht. Mietende können sich kaum mehr leisten, ein Haus zu kaufen.
Im Entlebuch lebt 51 Prozent der Bevölkerung in Wohneigentum (Quelle Lustat Statisik Luzern). Im Vergleich zum Kanton Luzern (34 Prozent) also deutlich mehr. Welche Folgen hätte es für die Entlebucher*innen, sollte die Initiative angenommen werden?
Betroffen wäre sicher das Gewerbe, wenn keine Unterhaltskosten mehr von den Steuern abgezogen werden können und weniger umgebaut wird. Die höheren Immobilienpreise würden es den jungen Familien schwieriger machen, Wohneigentum zu erwerben. Das kann zu Abwanderung führen. Dies hätte wiederum Einfluss auf einheimische Fachkräfte, Kaufkraft, Schulen und auch das Vereinsleben. Zudem sind touristische Gemeinden wie Flühli mit einer hohen Anzahl an Zweitwohnungen besonders von Steuerausfällen betroffen.
Kommen wir auf die Entlebucher Gemeinden zu sprechen. Sollte die Abschaffung zu Stande kommen, inwiefern wären die Gemeinden betroffen? Fallen Steuereinnahmen weg?
Dass sich die Kantone gegen die Vorlage aussprechen, spricht Bände. Die Abschaffung würde für Bund, Kantone und Gemeinden zu Steuerausfällen von bis zu zwei Milliarden Franken führen. Um diese auszugleichen, müssten die Kantone die Einkommenssteuern für die breite Bevölkerung erhöhen. Auch auf die Gemeinden hätte dies einen grossen Einfluss. Wie bereits oben erwähnt, wäre gerade Flühli stark betroffen.
Mit der Annahme der Vorlage werden Investitionen in energetische Sanierungen finanziell unattraktiver. Wie beurteilen Sie das?
Das wäre fatal. Unsere Klimaziele würden ausgebremst. Ohne zusätzliche Anreize werden wieder weniger Menschen auf eine energetische Sanierung und den Heizersatz setzen. Warum auch? Fördergelder würden gestrichen. Dies müssen wir verhindern. Für uns, aber vor allem für die Zukunft der nächsten Generationen.
Nadja Stadelmann ist Vizepräsidentin der SP Kanton Luzern und Vorstandsmitglied der SP im Entlebuch. Ihre Stellungnahme erfolgte auf Nachfrage des Entlebucher Anzeigers im September 2025.