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Was fuer ein Gesundheitswesen wollen wir?

Von SPe, 12.Oktober.2024

STANDPUNKT von Nadja Stadelmann
Vizepräsidentin SP Kanton Luzern

 

Mein 15jähriger Neffe hat diesen Spätsommer seine Lehre als Fachmann Gesundheit in einem Spital Luzern begonnen. Es berührt mich so sehr, mit wie viel Wertschätzung er von seinen Patient*innen spricht und mit wie viel Bewunderung über seine ausgebildeten Mitabeiter*innen. Es ist der Zauber eines Anfangs. Er bringt alle Voraussetzungen mit, diese Lehre im Spital gut zu durchschreiten. Noch hat er genügend Zeit seine Aufgaben zu meistern. Noch hat er meist eine Ausbilderin an seiner Zeit. Noch darf er lernen. Noch.

Die Lage in Spitälern, ambulanten Diensten ist längst prekär. Es herrscht überall Fachkräftemangel. Die jüngste Finanzstudie der Schweizer Spitäler prognostiziert, dass im Jahr 2030 rund 30’500 Pflegestellen nicht besetzt sein werden. Der Peak steht also noch bevor. Dies, obwohl es mich jetzt schon so unsicher dünkt. Oft riskieren Pflegende ihre eigene Gesundheit, um die von anderen zu retten. Der Druck, das Pflichtgefühl und das Wissen, dass die anderen im Team genau so auf dem Zahnfleisch laufen, lässt die Pflegefachfrau weiter machen. Jeden Tag. Bis an ihre Grenzen und weit drüber hinaus.

Es ist unser System, das Menschen in Care-Berufen zu wenig Zeit, Respekt und Lohn zollt.
Es ist unser System, das krank macht.
Es ist unser System, das die Schuld trägt, wenn in Pflegesituationen gefährliche Situationen für Patent*innen und/oder Pflegefachpersonen entstehen.

Die Frage ist, wie weiter? Welches Gesundheitswesen wollen wir? Und zu welchem Preis? Was ist uns die Gesundheit unserer Gesellschaft wert?

Die Pflegeinitiative ist ein wichtiger Schritt, um mehr Pflegefachpersonen auszubilden und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern – auch wenn der Weg dorthin steinig ist. Als entscheidend für die Attraktivität von Pflegeberufen erachte ich vor allem die Arbeitsbedingungen. Dazu zähle ich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, den Lohn, verlässliche Dienstpläne, Weiterbildungen, angemessene Karrieremöglichkeiten und die Sorgfalt darüber, dass die Pflegenden wirklich gesund bleiben können.

Der Luzerner Gewerkschaftsbund organisierte am 10.10.2024 ein Podium genau zu diesem Thema. Auf dem Podium diskutierten

  • Pia Engler, Kantonsrätin, Präsidentin der GASK und Leiterin des Haus Hagar.
  • Marta Lehmann, Berufsschullehrerin, Pflegefachfrau und Grossstadträtin
  • Viviane Hösli, Zentralsekretärin des VPOD

Während Pia Engler den Gesundheitsbericht des Kanton Luzerns vorstellte und auf die Stolpersteine hinwies, ging es bei Marta Lehmann um die fehlende Umsetzung der Pflegeinitiative. Die Tatsache, dass ganze Schulklassen an FaGe’s ihren Beruf zeitgleich mit dem Erhalt des Diploms verlassen, lässt mich erschüttert zurück. Marta Lehmann weiss, wovon sie spricht, selbst viele Jahre als Pflegefachfrau in allen Bereichen gearbeitet, unterrichtet sie nun als Berufsschullehrerin Klassen von Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit.

Viviane Hösli wiess dezidiert auf die Gefahr hin, die EFAS anzunehmen. Die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Behandlungen wäre eine grosse Gefahr für die Langzeitpflege. Die Arbeitsbedingungen und die Qualität der Pflege würden sich nochmal verschlechtern. Statt der Kantone sollen mit dieser Reform die Krankenkassen 13 Milliarden unserer Steuergelder verwalten. Noch mehr Macht den Krankenkassen zu geben, wäre zum jetzigen Zeitpunkt ein denkbar ungünstiges Zeichen.
Spannend ist, dass diese Reform ihre Entstehung im Jahr 2009 hat. Einer Zeit, in der die Medizin und Pflege an einem ganz anderen Punkt stand. Dies war vor der Coronapandemie und noch vor dem so akuten Fachkräftemangel in der Pflege. Mit EFAS würden die Restfinanzierung und die Kostendeckel abgeschafft. Somit wäre nicht mehr gewährleistet, dass ein möglicher Eintritt ins Heim für alle finanzierbar wäre, ohne die Krankenkassenprämien übermässig zu belasten. Der Kostendruck in der Alterspflege würde sich klar verschärfen. Mit der Reform ziehen sich die Kantone aus der Verantwortung für die Pflege in den Heimen und durch die Spitex zurück. Bei einem JA würden die Krankenkassen in Zukunft vermehrt entscheiden, wer wie behandelt wird. Vor allem Patient*innen ohne Zusatzversicherungen würden es deutlich zu spüren bekommen, dass Pflegende und Ärzt*innen noch weniger Zeit für sie hätten.

Was ich meinem Neffen wünsche, ist, dass er in seinem Beruf aufgehen kann und ihn lange ausüben darf. Mit genügend Zeit, Lohn und Respekt. Dazu muss die Pflegeinitiative zügig umgesetzt und die EFAS am 24. November 2024 abgeschmettert werden.